Zum Artikel "Ein Staat, seine Agentur - Frankreich will die Nachrichtenagentur AFP übernehmen"

in der Süddeutschen Zeitung vom 2. September 2009 nimmt AFP-Generaldirektor Pierre Louette wie folgt Stellung:

"Mit großer Verwunderung habe ich den heutigen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung zur Reform des AFP-Gesetzes in Frankreich gelesen, der gespickt ist mit falschen Tatsachenbehauptungen. Besonders bedauere ich, dass der Autor seinen Artikel ausschließlich auf Zitate aus anderen Medien stützt, die oft bereits widerlegt wurden. Leider hat es der Autor versäumt, bei der AFP eine Stellungnahme einzuholen. Das hätte ihm und uns manche falsche Behauptung erspart.

Richtig ist, dass das AFP-Gesetz von 1957 auf Wunsch von AFP geändert werden soll und dass dies bis zum Frühjahr 2010 abgeschlossen sein soll. Ziel ist, aus der heute eigenkapitallosen AFP eine Kapitalgesellschaft zu machen, die endlich langfristige Investitionen in ihre multimediale Zukunft planen kann. Es ist nicht korrekt, dass AFP nur "angeblich" das Geld dafür fehlt, es fehlt tatsächlich. In diesem Monat wird unter Beteiligung der AFP-Direktion letzte Hand an einen Gesetzentwurf gelegt, dessen Grundlinien aber schon bekannt sind und hätten in Erfahrung gebracht werden können.

Grundlegend falsch ist, dass die angestrebte Reform dem französischen Staat irgendwie geartete formelle Einflussmöglichkeiten auf AFP-Redaktionen eröffnet. Auf informellem Wege versuchen natürlich alle Regierungen auf Nachrichtenagenturen und alle anderen Medien inhaltlich Einfluss zu nehmen. Dass die Regierungspartei in Paris dies 2008 sehr forsch versuchte, wird weiter unten in dem SZ-Artikel erwähnt, verschwiegen wird jedoch, dass dies erfolglos blieb. Dass die Gleichung "viel Staatsgeld bedeutet viel Staatseinfluss" nicht aufgeht, beweisen zudem seit Jahrzehnten auch die Radiomacher bei der hundertprozentig staatsfinanzierten BBC.

Falsch ist auch, dass sich die Mitarbeiter der AFP prinzipiell gegen die Reform des Gesellschaftsstatuts wehren würden. Die hochrepräsentative AFP-Journalistengesellschaft und ein guter Teil der im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften befürworten eine Teilreform, die die Zukunftsfähigkeit der Agentur sichert; sie wären allerdings dagegen, wenn die AFP dadurch unter den inhaltlichen Einfluss von großen Privatunternehmen oder des Staates geraten würde. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass der aktuelle Artikel 2 im AFP-Statut, der die Unabhängigkeit garantiert, durch die Reform nicht angetastet werden soll.

Richtig ist, dass die AFP als künftige Kapitalgesellschaft hauptsächlich auf Einlagen aus öffentlichen Mitteln basieren wird. Noch nicht entschieden ist, welche öffentliche Banken oder Beteiligungsgesellschaften diese Mittel bereitstellen. Der Generaldirektor wird auch künftig vom Verwaltungsrat ernannt; im Verwaltungsrat werden wie schon heute die Medienkunden die große Mehrheit stellen. Erwogen wird, erstmals auch ausländischen AFP-Kunden Sitze im Verwaltungsrat einzuräumen. AFP wird zudem ein Redaktionsstatut erhalten, das mit der Belegschaft konzertiert wird und über dessen Einhaltung letztinstanzlich eine Stiftung wacht, die von Kapitalgebern und Verwaltungsrat unabhängig ist. All diese leicht zu recherchierenden Tatsachen widerlegen die Grundaussage des SZ-Artikels, AFP werde zu einer Staatsagentur.

Schlicht gesagt unzutreffend sind in dem Artikel die ohne Konjunktiv und Nachprüfung übernommenen Behauptungen des Chefredakteurs der Tageszeitung Libération, die AFP habe drei seiner Scoops übergangen. Dabei wurden diese in der weiteren Berichterstattung schon sämtlich widerlegt, was dem Autor hätte auffallen müssen:

  • AFP hat breit und wiederholt über die angeblichen Äußerungen Sarkozys zu Zapatero berichtet, dabei allerdings nicht nur die Version wiedergegeben, mit der Libération ziemlich alleine stand, sondern auch die Berichte von Ohrenzeugen (auch aus der Opposition), die das Zitat in ein ganz anderes Licht rückten. AFP hat also das gemacht, was von journalistisch sauberer Arbeit erwartet werden darf.
  • AFP hat sofort die Vorabmeldung der Libération über angebliche Milliardenverluste bei der Großbank Société Générale gebracht. Leider. Denn diese erwies sich - wie inzwischen bekannt - als totale Falschmeldung.
  • Auch über die geplanten Bonuszahlungen an Manager von BNP Paribas hat AFP berichtet. In diesem Fall allerdings erst nach nächtlichem Zögern und mit einer Stellungnahme der Bank, was mit der kurz zuvor von dem gleichen Libé-Reporter verfassten Falschmeldung zu erklären ist.
  • All diese Erwiderungen und Klarstellungen sind in Frankreich von der medienpolitisch interessierten Öffentlichkeit breit diskutiert worden. Einer der Libération-Gründer, Philippe Gavi, hat dabei sogar dem aktuellen Chefredakteur vorgeworfen, er versuche seine aktuelle Werbekampagne "Libé-Scoops - ein Markenzeichen" skrupellos und wahrheitswidrig auf Kosten der Glaubwürdigkeit von AFP zu pushen.

Schlecht recherchiert ist auch der Passus über die Sonderrolle von AFP in Frankreich: Sprecher von Bundesministerien verweisen immer wieder mal auf dpa-Meldungen, die es zu einem Thema schon gebe. Rückt das dpa in Staatsnähe? Das Büro im Élysée-Palast teilt sich AFP gleichberechtigt mit den beiden anderen Weltagenturen AP und Reuters. Ähnlich sind übrigens die Presse-Arbeitsplätze im White House organisiert.

Im letzten Absatz unterstellt der SZ-Artikel, dass sich AFP außerhalb Frankreichs aufgrund indirekter Subventionen so stark entwickelt habe. Deshalb sei daran erinnert, dass wir 1835 als älteste Nachrichtenagentur der Welt unter dem Namen Agence Havas gegründet wurden und vom ersten Tag an international aufgestellt waren. Die globale Präsenz der Agentur mit Korrespondenten und bei Kunden hat sich im Laufe von nun bald 175 Jahren entwickelt und verstärkt - unter den verschiedensten Rechtsformen. Der Anteil beim Staat erzielter Erlöse am AFP-Budget ist im übrigen von über 60 Prozent in den siebziger Jahren auf 40 Prozent gesunken.

AFP wird in Frankreich, wie in Deutschland und überall sonst auf der Welt auch in Zukunft uneingeschränkt seinem Grundsatz treu bleiben, Pressemittelungen von Behörden, Parteien, Unternehmen oder Verbänden auf ihre Nachrichtenrelevanz und ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen sowie dazu weitere Stellungnahmen einzuholen. Dies gilt auch für die Vorabmeldungen von Medien, was uns in der Tat positiv von manchem Mitbewerber abhebt.

Mit kollegialen Grüßen

Pierre Louette

Président-Directeur Général, Agence France-Presse